Schlaflos...
Seit anderthalb Stunden liege ich im Bett und versuche in den Schlaf zu kommen – vergeblich, wie man sieht. Meine Gedanken schwirren durch meinen Kopf - schwirrrr - sie trudeln und strudeln – ich habe Gedankenstrudel im Kopf. Ich schau auf mein Handy – immer noch keine SMS.
 Ich kann mir aussuchen, warum ich nicht in den Schlaf komme, oder warum der Schlaf nicht zu mir kommen will – war’s der kleine unschuldig wirkende Espresso, der zu spät von mir konsumiert wurde – aber was heißt das, zu spät? Wofür zu spät? Wer bestimmt den Zeitpunkt? Der Schlaf? Straft er mich jetzt ab, indem er nicht zu mir kommt? Oder war’s der Rotwein, den ich mir einverleibte – lecker, fand ich, und eigentlich auch genossen, um problemlos in den Schlaf zu kommen –
Oder waren es die Gespräche, die ich führte – oder diejenigen, die ich nicht führte – oder vielmehr das, was die geführten und nicht geführten Gespräche in mir auslösten – da könnte mich doch so einiges daran hindern, in den Schlaf zu kommen.
Meine Gedanken trudeln und strudeln – so überlege ich beispielsweise, was „SMS“ bedeutet – auf gut Deutsch „Kurzmitteilung“, ich will kurz etwas mitteilen, also mit-teilen – kommt von „teilen“. Wenn man etwas teilen möchte, mit jemandem etwas teilen möchte, in meinem speziellen Fall, also der Fall, an den ich gerade denke, möchte ich einen Gedanken teilen, oder eher noch, und ganz ehrlich gesprochen, ich will mit jemandem mein Denken teilen. Mein an-die-Person-Denken, der ich die Kurzmitteilung schicke. Das ist dann sozusagen eine Gedankenteilung.
Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freud ist doppelte Freud. Wie das wohl um Gedankenteilung bestellt ist? Sicher ist: kommt keine Resonanz auf das Angebot der Gedankenteilung, kann man sich weiter allein seine Gedanken machen. Man kann noch mal versuchen zu teilen, mitzuteilen. Kommt wieder nichts, dann könnte man vielleicht ein wenig deutlicher dem Wunsch nach Teilung Ausdruck verleihen, damit der andere mitbekommt, worauf man letztlich aus ist.
Unter Umständen auch den einen und anderen Grund dafür nachschieben. Diese Verdeutlichung gebietet schon die Fairness: nicht jeder kann Gedanken lesen, zumal wenn man sich nicht gegenüber steht. Und? Wieder Schweigen im Walde? Welches Zeitfenster gebe ich mir und dem zum Teilen Auserkorenen denn? Die Gedanken können jetzt vor sich hin trudeln und strudeln: schwer beschäftigt. Handy kaputt. Krank, Schwächeanfall, Zerwürfnis, Zeitnot, Lustlosigkeit. Vielleicht ist das Gedankenteilen technisch-organisatorisch nicht möglich. Oder der andere ist schlicht nicht interessiert am Teilen. Zur Zeit passt es dem zum Teilen Aufgeforderten eben nicht, er will seine Ruhe haben, warum auch immer, er zeigt demonstrativ sein Desinteresse am Teilen, indem er einfach nicht antwortet. Blanke Vermutung und Unterstellung des Teilungswilligen, geboren aus dem Gefühl der Zurückweisung und der Nichtbeachtung, des beleidigt Seins – pfui Deibel!!
Der Absender einer Mit-Teilung, die unbeantwortet bleibt, macht sich seine Gedanken, allein. Ich mache mir also meine Gedanken. Und ich mache mir nicht nur Gedanken, sondern ich fühle, ich empfinde. Diese Empfindungen zeigen sich in Sinuskurven, sie bauen sich auf, verebben, schäumen, zischeln, lodern, entfachen sich neu, wenn sie gerade verloschen zu sein scheinen. Gespielte Gleichgültigkeit, Freundlichkeit, Hartnäckigkeit, Angefressen sein, Wut, traurig und enttäuscht sein, sauer, ängstlich und besorgt in kräftigen, leisen, plätschernden, tosenden Wellenbewegungen rauf und runter.
(Wundere ich mich eigentlich wirklich, dass der Schlaf nicht zu mir kommen mag??)
Die heftig schlingernden Empfindungen lösen sich in steter Regelmäßigkeit ab mit Geschichten im Kopf, die mir allein schon den Schlaf rauben könnten.  Gedankenstrudel, schwirrrr -  ich trudel mit ihnen, lass mich von ihnen einfangen, wegschwemmen – wie durch einen Nebel höre ich mein Handy – eine SMS ? – träume ich? Ich falle in den Schlaf...