Inflation der Bratwurst Kaum klettern die Temperaturen auf gefühlte zweistellige Grade und die Regenmengen können von Schirmen einigermaßen abgehalten werden, wird ein Phänomen ruchbar: es wird gegrillt! Und zwar geschieht dies mit wachsender Begeisterung und nie gekannter Präzision. 
Auf beinahe jedem Balkon qualmt und zischt es, in Parkanlagen und an Gewässern wird gebruzzelt. Auf Terrassen stehen monströse Grillmöbelstücke in den kuriosesten Formen, kugelig wie ein Colani-Entwurf, mehrstöckig, mit Ablagen. Es gibt auch den praktischen Einweggrill. Da können verbrannte Würstchen gleich mit entsorgt werden. Gewendet wird nicht etwa nur mit einer einfachen Zange, nein, ein ausgeklügeltes Grillbesteck muss her. Ein ganzes Equipment wird angeboten, um eine schlichte Bratwurst zu grillen. Was heißt schlicht. Die Würste gibt es roh oder gebrüht. Fein oder grob, fränkisch, hessisch, thüringisch, aus Kalb, Schwein, Rind, Lamm, für ganz Abgebrühte auch Pferd. Ummantelt mit Speck, angereichert mit Käse. Riesenbratwürste, meterweise verkauft, oder die Minis, gleich im 5-er Pack. Serviert wird mit Sauerkraut oder Kartoffelsalat, Senf oder Ketchup, im Brötchen oder auf Pappe. 
Richtig grillen will gelernt sein, damit das arme Würstchen nicht Feuer fängt. Ich hasse Würstchen, die außen dunkelbraunschwarz und kochendheiß sind und innen höchstens lauwarm. Igitt! Es gibt vermutlich auch Seminare für’s Grillen, eventuell mit Zertifikat. Zertifizierter Griller. Ohne Zertifikat leider keine Grillerlaubnis, ergo keine Bratwurst. Schließlich gibt es bereits ein Grillmagazin und eine deutsche Grillmeisterschaft. Da wird dann gegrillt, was das Zeug hält. Mit und ohne Aluschale, auf Gas oder Holzkohle, mit Anzünder oder – nein, Benzin ist out. Aber mit schicken gepolsterten Handschuhen wird gearbeitet.  Übergossen wird mit Bier oder Ahornsirup. Ehrlich! Soll eine besonders knusprige Wurst ergeben. Wenn jemand nicht selbst grillen will, kein Problem: es gibt mittlerweile überall, aber wirklich an jeder Stelle Bratwürste. Und zwar zu jeder, wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit. 
Ein Deutsches Bratwurstmuseum gibt es auch schon, natürlich in Thüringen, wo die echte Urbratwurst ihre Wiege stehen hat. Angeblich. Homer beschreibt übrigens bereits weit vor unserer Zeitrechnung die Herstellung der Bratwurst. Wer hätte gedacht, dass die Bratwurst auf eine dermaßen lange Ahnentafel verweisen kann! 
Manchmal steigen in mir Erinnerungen hoch an Zeiten, als der Duft nach Bratwurst etwas ganz Besonderes verhieß. Jahrmarkt, Schützenfest, Bratwurstbude, Fußballplatz, das sind doch noch wahre Assoziationen für Bratwurstgeruch! Ich sollte mal zum Bratwurstverein „Freunde der Thüringer Bratwurst“ fahren. Deren Motto heißt „Wer anderen eine Bratwurst brät, der hat ein Bratwurstbratgerät.“ Die bieten zur Zeit ein echtes Bratwursttheater „Hans Wurst und die Liebesbratwurst“. Vielleicht eröffnen sich ganz neue Perspektiven!